Was kann gemacht werden?

Marie und ich dürfen uns seit 1994 Sattler nennen. Zu der Zeit eigentlich überall außer in Deutschland. Erst seit 2004 dürfen wir uns des Titels auch in Deutschland bekleiden. Bis dahin war der Beruf ein geschützter Titel und durfte nur von in Deutschland und Österreich ausgebildeten Sattlern benutzt werden. 2004 wurde diese Regelung gelockert und nun darf sich jeder Hans und Fritz Sattler nennen. Was man sich dagegen nicht nennen darf ist Sattlermeister, soweit man nicht die Ausbildung und die Meisterprüfung bestanden hat. Auch ich darf den Titel Meister nicht benutzen, da ich die Meisterprüfung nicht gemacht habe. Was ich mich aber nennen darf, ist Ausbilder im Sattlerhandwerk. Meine Prüfung zum Ausbilder habe ich bei der Handwerkskammer Flensburg 2013 absolviert.

Was wir in den Jahren als Sattler gelernt haben, ist unter anderem die Vielfallt von Möglichkeiten, einen Sattel zu verändern. Wir üben unser Handwerk mit viel Liebe und Seele aus und unser Ziel ist es seit den Anfängen gewesen, dem Pferd zur Seite zu stehen. Der Reiter kann seine Gefühle wörtlich vermitteln und sagen was falsch ist. Das Pferd dagegen ist darauf angewiesen, dass der Sattler es lesen kann und daraus Schlüsse ziehen, um es dem Pferd und dem Reiter behaglicher zu machen.

Die Kunden die mich kennen und die mir jahrelang Treu gewesen sind, schätzen meine Unverfrorenheit, zu sagen was ich denke und welcher Ansicht ich bin. Nicht alle mögen was sie zu hören bekommen, aber die meisten sehen ein, dass ich zum Wohle des Pferdes spreche und akzeptieren meine harschen Worte. Ein Reiter, ob Er oder Sie, ist sich selber Bewusst, dass der Popo in Größe 44 nicht in eine Hose in Größe 38 passt. Warum sollte ich behaupten, dass ein 18″ Popo in einen 16″ Sattel passt?

Aber das ist nicht mein größtes Problem. Was mich stört, ist die Tatsache, dass wenn der Halter im Reitsportfachgeschäft anruft, um Hilfe mit seinem Sattel zu bekommen, glaubt er in den meisten Fällen ernsthaft, dass ein Sattler in den Stall kommt. So ist aber oft nicht der Fall. Die meisten „Quasi Sattler“ die in den Stall kommen, sind Händler, die eventuell einen Wochenendkurs bei Passier, Sommer oder Stübben absolviert haben. Auch die meisten der Sattelanpasser, Sattelergonomen, Saddlefitters, Sattelvermesser, Saddlefit 4 Live oder auch ostheopatischen Sattelanpasser, haben eventuell eine Ahnung wie ein Sattel liegen soll, aber wie der Sattel dahin kommen soll, eher nicht. Warum ein Sattel zur Seite oder auf die Schulter rutscht, ist für diese Leute oft ein Mysterium.

Der Händler will, wie der Name schon sagt, etwas verkaufen. Obwohl er Sättel verkauft, ist er trotzdem kein Sattler. Genauso wenig wird der Immobilienmakler Zimmermann oder Maurer genannt, nur weil er Häuser verkauft. Der Autohändler wird auch nicht zum Automechaniker, nur weil er Autos verkauft. Der Sattler dagegen, wie auch der Zimmermann und Maurer, ist dagegen ein Händler, der mit einer Dienstleistung, dem Handwerk, und nicht mit einer Ware handelt.

„Das geht ja gar nicht“ oder „Der Sattel kann ja noch nie gepasst haben“ oder „Der Sattel passt ja vorne und hinten nicht“, sind normalerweise Sprüche von Leuten, die das Handwerk nicht können oder die auf Teufel komm raus einen Sattel verkaufen wollen. Warum behaupte ich das? Hier mal einen Blick auf die Sprüche:

„Das passt ja gar nicht!“ – Das wissen die meisten Kunden schon im Voraus. Darum rufen sie ja bei uns an.

„Der Sattel kann ja noch nie gepasst haben!“ – Wie will man das wissen, wenn man das Pferd zum ersten mal sieht? Vor vier Jahren war der Sattel vielleicht optimal. Seit dem hat das Pferd drei Koliken und einen Reheschub gehabt. Oder so hat vielleicht das Alter das Pferd eingeholt; Stoffwechselprobleme bekommen; Sehnenschaden erlitten?

„Der Sattel passt ja vorne und hinten nicht!“ – Noch so ein Spruch, warum der Reiter ja eigentlich den Sattler geholt hat.

Vieles kann gemacht werden, um einen nicht passenden Sattel zum Liegen zu kriegen. Man muss nur wissen womit man es zu tun hat und da liegt der Hund begraben. Wie ist ein Sattel aufgebaut? Was habe ich für Materialien im Sattel? Wie kann ich diese beeinflussen?
Kann ich sie beeinflussen? Was passiert wenn ich sie beeinflusse? Das sind Fragen, die von den meisten Händlern oder „Quasi Sattler“ nicht beantwortet werden können.

Aber es gibt auch andere Aspekte die beachtet werden müssen. Was passiert, wenn der Sattel in Schwerpunkt kommt? Wie verändert sich der Sitz des Reiters? Wie verändert sich das Bein des Reiters? Wie verändere ich die Auflage des Sattels? Was geschieht mit den Pauschen? Das sind alles Aspekte die jeder lernen kann. Es geht auch nicht drum, ob der Sattler oder Händler selber reitet oder nicht. Dies sind einfach nur Sachen die mit Ergonomie und Physik erklärt werden können, nur muss man das Interesse haben, sich in diese Materie zu vertiefen. Und es geht nicht nur um die Ergonomie und Physik des Pferdes, sondern ebenso viel um die des Reiters.

So, was kann denn eigentlich gemacht werden? Es gibt so vieles, was ein Sattler machen kann, um den Sitz des Reiters und die Lage des Sattels zu verändern oder es dem Pferd angenehmer zu machen. Hier ein paar Vorschläge:

Sattel rutscht nach vorne: Strupfenführung ändern, so das der Sattel nicht nach vorne gezogen wird.
Schwerpunkt zu weit hinten: Entweder fester polstern oder wenn es mehr ist, als was das Kissen zulässt, kann man hinten einen 2ten Vorstoß (ich nenne das Rückstoß) setzen.
Schwerpunkt zu weit vorne:
Auch hier kann man mit mehr Polster versuchen. Wenn die Schulter zulässt, kann man eventuell die Kammer enger machen. Wenn beides nicht klappt, kann ein Keil vorne in das Kissen gearbeitet werden. Dadurch erhält man mehr Kissenvolum und kann den Sattel vorne heben.
Die Pauschen stören:
Man kann die Pauschen entfernen und/oder Klett annähen lassen und Klettpauschen benutzen.
Dornspitzen eingeengt:
Hier beruht der Umbau auf die Bauweise des Sattels. Bei einigen Sätteln kann man die Kissen senken. Bei anderen müssen die Kissen in der Höhe gekürzt werden. Meistens liegt die Entscheidung bei den Pauschen und dem Aufbau der Kissen vorne.
Sattelblatt zu lang:
Kürzen! Wo liegt das Problem?
Sattelblatt zu kurz:
Verlängern! Auch vollkommen machbar!
Kleine Tasche kaputt:
Reparieren oder wenn nicht möglich, eine neue bauen.

Die meisten Reparaturen und Änderungen sind gewöhnlicher Weise günstiger als ein neuer Sattel oder sogar ein gebrauchter Sattel. Man darf auch nicht vergessen, dass der neue Sattel auch noch angepasst werden muss. Viele meiner Kunden sind Dankbar, dass ich ihnen ihr Schätzchen gerettet habe. Viele Kunden haben mich als zweite oder dritte Meinung geholt und reiten ihren alten Sattel obwohl andere „Quasi Sattler“ der Meinung waren, dass sie einen neuen Sattel haben müssen. Ich habe aber auch Kunden, die sich einen Sattel nach dem anderen gekauft haben, vom Händler, und nach einer Weile die selben Probleme bekommen haben, wie mit dem Sattel zuvor und dem Sattel davor.

Bildet Euch eine eigene Meinung und lernt das Pferd zu verstehen. Das Pferd zeigt uns alles was wir wissen müssen um ihnen zu helfen. Wenn es so weit geht, dass das Pferd um sich beißt oder versucht dem Sattel zu entweichen beim Satteln, dann kann der „Quasi Sattler“ nicht Recht haben!